• Forschung

Meike Sophia Baader und Wiebke Hiemesch: Paradoxe Bildung – Widerstand – Überleben

Geheimer Unterricht und Kinderzeichnungen im Frauenkonzentrationslager Ravensbrück

In dem Forschungsprojekt „Paradoxe Bildung – Widerstand – Überleben“ untersuchen wir geheime Bildungs- und Kulturpraktiken von polnischen Frauen und Kindern im Frauenkonzentrationslager Ravensbrück. Die Quellengrundlage bilden im Lager hergestellte Unterrichtsbücher („teaching materials“, Universitätsbibliothek Lund) und Zeichnungen eines damals vierzehnjährigen Mädchens (Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück). Ausgehend von der materiellen Beschaffenheit der Bücher und Zeichnungen untersuchen wir deren Entstehung und fragen, wie die Kinder, Jugendlichen und Frauen unter den Extrembedingungen des Lagers mit diesen Artefakten umgingen und welche Bedeutung sie für die Gefangenen hatten. Zudem interessiert uns, wie die Bücher und Zeichnungen erhalten blieben und in welche unterschiedlichen Nutzungszusammenhänge sie bis heute eingebunden waren.

Mit dem Projekt zielen wir darauf, erstens die Quellen systematisch zu erschließen, zweitens sie in ihren historischen Kontexten zu analysieren und sie drittens an kindheits- und bildungshistorische Diskurse zurückzubinden. Teil des Projektes sind interdisziplinäre Methodenworkshops mit Expert:innen, die zu einer Weiterentwicklung der bisher wenig ausgearbeiteten Methoden zur Auswertung von Zeichnungen und hergestellten Objekten in der Kindheits- und Bildungsforschung beitragen. Wir erwarten Ergebnisse für die Geschichtsschreibung des Nationalsozialismus sowie für die historische Bildungs- und Kindheitsforschung, die das Wissen über Unterrichtsformen im Lager erweitern und damit verbundene Bildungsprozesse genauer beschreibbar machen. Damit beinhaltet das Projekt auch eine erinnerungskulturelle Dimension, da es die Praktiken der verfolgten Kinder und Erwachsenen sichtbar macht und paradoxe Bildungsprozesse als Widerstandsformen analysiert.

Das Projekt wird bis Ende 2023 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert und ist am Schwerpunkt „Erinnerungskulturen und Bildung“ an der Universität Hildesheim angesiedelt.

Notizbuch aus dem Englischunterricht in einem Konzentrationslager, The Polish Research Institute in Lund (PIZ), vol. 29:2Foto: Wiebke Hiemesch
Notizbuch aus dem Englischunterricht in einem Konzentrationslager, The Polish Research Institute in Lund (PIZ), vol. 29:2
Foto: Wiebke Hiemesch
Ort
Universität Hildesheim
Weitere Informationen
Projektbeschreibung bei der DFG