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Thomas-Peter Gallon: Über ein Blutbad an italienischen Zwangsarbeitern im April 1945 bei Treuenbrietzen

Forschungen zu einem Gewaltverbrechen in der Endphase des Zweiten Weltkrieges

Am 23. April 1945, zwei Wochen vor der Kapitulation, fiel eine Gruppe bewaffneter deutscher Männer in ein Zwangsarbeiterlager im märkischen Treuenbrietzen ein. Sie trieben etwa 130 wehrlose italienische Männer einige Kilometer zu einer Sandgrube nahe dem Dorf Nichel und töteten die meisten von ihnen dort. Die Literatur geht von nur vier Überlebenden aus. Im August 1945 barg und identifizierte eine 19-köpfige Freiwilligenexpedition italienischer Soldaten die sterblichen Überreste und bestattete sie in einer vorläufigen Ruhestätte vor Ort. Der Leiter dieser Expedition erstellte eine umfassende Dokumentation. Diese in der Literatur bisher kaum ausgewertete, geschehensnahe Dokumentation bildet den Ausgangspunkt einer Rekonstruktion des Verbrechens und des Standes der Erkenntnis darüber im ersten Teil des Forschungsprojekts.

Hierzu liegt mittlerweile eine Veröffentlichung vor. Außerdem ist ein Papier mit 20 Thesen und Themen zur weiteren Forschung ins Netz gestellt.

Ab 1963 wurde die Tat auch zu einem Thema verschiedener, zeitlich z.T. weit auseinander liegender Ermittlungsverfahren von Staatsanwält:innen in Ost und West und später im vereinten Deutschland. Ab etwa 2000 wurde die Tat in Italien und Deutschland auch öffentlich bekannt und zu einem Thema öffentlichen Erinnerns. Sie wurde jedoch nie aufgeklärt. 2006 stellte die Staatsanwaltschaft Potsdam die letzten Ermittlungen ein.

Der zweite Teil des Projekts bleibt am Ablauf der Ermittlungen orientiert, wie er sich aus den überlieferten Quellen rekonstruieren lässt. Warum kam am Ende nichts raus? Im Mittelpunkt des Interesses steht dabei nicht die Frage, ob Einstellungen in der Gesellschaft zur sog. Vergangenheitspolitik (Norbert Frei) die Ermittlungen politisch ausgebremst hätten. Das Augenmerk gilt vielmehr dem Ablauf und den Widrigkeiten der Arbeit der Ermittler:innen: Wie hätten sie die Tat einzelnen Tätern als eine Mordtat aus niederen Beweggründen nachweisen sollen? Und wem, wenn alle Vernommenen schweigen? Die Engführung der Studie gleichsam auf Arbeitsebene der Ermittlungsverfahren soll die historischen Befunde zu den vergangenheitspolitischen Restriktionen der Aufklärung von NS-Taten ergänzen. Dabei wird auch die Frage aufgeworfen, ob die strafrechtliche Aufklärung und Ahndung der Tat schon aus rechtsgeschichtlichen und strukturellen Gründen zum Scheitern verurteilt war.



Buchcover Thomas-Peter Gallon, Das Blutbad an italienischen Zwangsarbeitern am 23. April 1945 bei Treuenbrietzen. Was wir über ein Verbrechen am Ende des Zweiten Weltkriegs wissen, Potsdam 2025.

Die meisten Opfer ruhen heute im italienischen Ehrenhain auf dem Waldfriedhof Berlin-Zehlendorf Foto: Thomas-Peter Gallon
Die meisten Opfer ruhen heute im italienischen Ehrenhain auf dem Waldfriedhof Berlin-Zehlendorf
Foto: Thomas-Peter Gallon
Kontakt
Dr. Thomas-Peter Gallon
Stahnsdorf (Brandenburg)
E-Mail
Tel.: 03329 6346204
Ort
Treuenbrietzen, 14929 Brandenburg